Anpassen und Fließen-lassen

Ausweichen ist der Schlüssel – aus der eigenen Mitte hervor und doch in direktem Bezug zum Angriff: Das ist der offensive Anteil im Aikidō.

Im Aikidō setze ich dem / der Angreifenden nichts entgegen – Anpassen und Fließen-lassen sind das Kennzeichnende: „awase to nagashi“.

Wie komme ich dazu einen Angriff einfach nur anzunehmen, mich dem anzupassen? – Klar ist doch wohl, dass ein Gegenhalten oder sogar ein Gegenangriff immer ein Risiko in sich birgt – egal wie intensiv ich trainiert und mich sogar auch mental vorbereitet habe. Wäre es nicht weiser Auszuweichen – ohne Kampf?

Wie soll das gehen? Der Angriff hört doch damit nicht einfach auf? – Aber ganz entscheidende Dinge sind dann für den / die Angreifende/n passiert: Mein Angriff ging in die Leere – wie komme ich meinem Ziel nach?

Beides erlebt die / der Angreifer/in auch körperlich: Unsicherheit.
Für mich hingegen kommt es darauf an, mich angemessen herausgenommen zu haben und weiter gut in mir zu sein. Habe ich doch selbst die unmittelbarste und zuverlässigste Möglichkeit für eine notwendige Veränderung ergriffen – das stärkt! Eine ganzheitliche Bewegung ohne betroffen gewesen zu sein, noch getroffen zu werden. Und weiter kann es gehen – ich kann mich lebendig und frei bewegen.

Durch das Verbinden mit der Angriffsbewegung des / der Partnerin/s und dem Fortführen kommt diese/r dann vollständig aus der eigenen Mitte. Alles Nachfolgende nimmt diese/n in sich weiter auf und auch ich gebe mich den anschließenden bogenförmigen Bewegungen hin – der erste Angriff endet und hat uns zu einem Miteinander zusammengeführt.

Wie lange braucht es, um das zu können? Das dauert doch sicherlich ewig! – Mit der Entscheidung für einen respektvollen Umgang mit mir fange ich schon unmittelbar mit dem Üben an: Ich werde mir meiner Haltung, meines Auftretens und meiner Einstellung bewusster und klarer – mein Wirken nach innen wie auch nach außen werden entspannter und doch vitaler zugleich.
Dauert für einen selbst nicht alles nur ein Leben lang – ist nicht die entscheidendere Frage, wie ich in meinem Umfeld in der mir unbekannten Zeit gelebt haben möchte?

Partner/in im Aikidō

Grundlage für „aite“ ist sein / ihr „ukemi“ – damit sind das Sich-Einlassen auf die Führung, das Sich-Schützen und die Fallschule an sich gemeint.

„uke no jūyōsei“ – Die Bedeutung des / der Partners/in ist für das Training im Budō außerordentlich groß. So braucht es von Zeit zu Zeit ein paar Worte dazu, da das notwendige Verständnis für diese Rolle nicht selbsterklärend ist.

Welche Aufgabe/n hat der / die Partner/in? – Der Angriff soll den / die Übende/n „shite“ in der eigenen Entwicklung unterstützen. Dies setzt aber voraus, dass „aite“ so wenig wie möglich eigene Gewohnheiten, Unklarheiten und / oder Unsicherheiten in die jeweilige Übung mit hineinbringt und der Führung nachkommt – sich dieser nicht widersetzt. Ansonsten würde es keine ausreichende Rückmeldung mit direktem Bezug geben.
Grundlage für „aite“ ist sein / ihr „ukemi“ – damit sind das Sich-Einlassen auf die Führung, das Sich-Schützen und die Fallschule an sich gemeint.

Wie kann ich ein guter / eine gute Angreifer/in werden? – Im Training übe ich mich mit meinen Möglichkeiten so hinein zu geben, dass ich mir meiner Gewohnheiten bewusster werde. Unklarheiten kann ich stehen lassen und stelle mich schrittweise meinen Unsicherheiten. Zur Entwicklung meines „ukemi“ kommt es nicht auf Geschwindigkeit und Kraft an – diese sind für das bewusste Trainieren miteinander eher hinderlich. So lerne ich fortwährend präsenter und natürlicher auf den / die Übende/n „shite“ hinzu zu gehen – solange sich mir die Möglichkeit dazu bietet, bis hin zu dem Einlassen auf den Fall.

Was habe ich als Angreifer/in letztendlich davon? – Es ist keine einfache Sache, sich immer wieder bewusst einzulassen und an sich zu üben. Doch finde ich hierdurch zu einem gesunden, ausgleichenden Training von Körper und Verstand: Dort, wo ich stark bin, kann ich lösen, entspannen und werde flexibler – und in Bereichen meiner Schwächen stärke ich mich, werde belastbarer.
Durch das sich immer wieder Einbringen und neue Erstehen entwickle ich mein „ukemi“ und finde zu „aite“ – so gelange ich zu einem Mehr an innerer Klarheit und eigenem Freiraum.